Vom Ursprung der Kraft eines klangvollen Namens
En àrrchén en ho lógos -"Im Anfang war das Wort", heisst es im Johannes-Evangelium. "Im Anfang war OM", sagen die Tibeter - und es liesse sich daraus ableiten, dass mit diesem Urklangwort dem Schöpfer des "All-dem-was-ist" eine bestimmte "Idee der Evolution" zugesprochen wird. Das Wort, das Gott sprach, war das Wort "Licht": "Und es ward Licht". Joachim Ernst Berendt klärt in seinem Buch "Nada Brahma - Die Welt ist Klang" wie folgt auf: "Wir müssen die Sprache nur wörtlich nehmen; sie hat es von Anfang an gewusst: das Wort ist das Licht ist der Laut ist der Anfang (...). Nicht nur "Licht" und "Laut" gehören zusammen, sondern auch "hell" und "Hall"; auch dies wieder quer durch die Sprachen: h-I-I im Semitischen (=hell, Mond, Morgenstern, aber auch rufen), kal im Griechischen: als kaleo = ich rufe, als kalos = schön, ursprünglich jedoch: leuchtend."
Es lebe, was sich unterscheidet
Wörter, so die amerikanische Sinologin Sukie Colegrave, "haben in der Erkenntnis von Konfuzius eine wahre Bedeutung, die bestimmte absolute Wahrheiten des Universums widerspiegeln". Wörter benutzen wir, um den Dingen wie uns selbst Namen zu geben, Bezeichnungen, die das Eine vom Anderen unterscheidet. Namensgebungen wiederum sind keine Zufallserscheinungen, vielmehr drücken sie das Besondere eines Etwas aus; sie differenzieren dieses Etwas, sie schaffen die Unterscheidung und sind damit Bestandteil des Lebens bzw. aller Formen und Dynamiken der universellen Kommunikation. Sprache wäre undenkbar ohne unterschiedlichste Laute in Kombination. Leben definiert sich ebenfalls aus der Kommunikation zwischen A,B,C-Bausteinen. So könnte man auch sagen: Am Anfang war das Alphabet oder all die Bausteine, die Licht, Leben, Wörter, Namen, Sprache, Gedichte, Lieder... (und Markenartikel-Namen) ermöglichen.
Ein guter Ruf vermag mehr als tausend Worte
Nam ist im Hebräischen nicht nur "sprechen", sondern auch das feierliche Verkünden des Orakels; Nabha und Nawa war noch das prophetische Wort, die Weissagung, die schöpferische Schau. Numen ist im Lateinischen nicht nur das Himmelszeichen, sondern auch das an den Himmel geschriebene, menschliches Schicksal verändernde "Numinose". Der Wortstamm nam, nel, num findet sich auch in Sprachen des Fernen Ostens. Der berühmte BegriffNembutsu des japanischen Buddhismus bezeichnet das Nennen, das Beschwören des Buddha in dem Sinne, dass bereits das Aussprechen des göttlichen Namens genügt: das Wort als solches hat Kraft - um so mehr, wenn es das Wort Buddha - Butsu - ist,
Der Name will gelebt werden
Bis zum heutigen Tage schwelt in uns ein Rest dieses Bewusstseins, dass ein "Name" nicht einfach besagt, wie jemand heisst. Vielmehr wohnt im Akt der Namensgebung etwas Bedeutungs- und Geheimnisvolles, Schöpferisches inne. Spuren davon stecken im Akt der Taufe - selbst dann, wenn sie nicht kirchlich vollzogen wird. Keiner Mutter, keinem Vater ist es egal, ob die Tochter Isabell oder Tatjana heisst - obwohl der Name, rational gesehen, doch nun wirklich keine andere Aufgabe hat, als ein Kind von anderen Kindern zu unterscheiden. Und was die Namensträger selbst angeht, so kennen wir die Problematik, nämlich, dass sich mit einem Namen bedachten Kind oder Erwachsenen oft Identitäts-Konflikte ergeben: wenn z.B. ein "Fritz" lieber "Maximilian" heissen würde. Mit einem Namen will man sich identifizieren, die Macht oder die Gefühlswelt eines Namens will man ausleben - das Namensbild, seine Leuchtkraft will man in allen Facetten personifizieren - was auch immer man persönlich in dieses Bild hineinprojiziert.